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Niedrigenergie-Bürogebäude in Karlsruhe
Mitarbeit
Architekturbüro Günter Leonhardt, Stuttgart
Neue Energiekonzepte für Gebäude. Seminarbeitrag am
Institut für Baustofflehre, Bauphysik, Technischer Ausbau und Entwerfen
Dipl.-Ing. Frank Dehli
Text, Diagramme und Fotos von Michael Wonner in Zusammenarbeit mit
Stefan Bubeck. Der Artikel erschien in ähnlicher Form in der AIT
Spezial 03 1996.
- Teil 1 - Entwurfskonzept
- Teil 2 - Computersimulation
- Teil 3 - Erste Beobachtungen
Energie sparen | Energieberatung | Gebäudeenergieausweis
1996 | WAT | Energiewandler - Teil 2
Gebäudeabstimmung, Dynamische Computersimulation
Um die Baumaterialien und die einzusetzenden energietechnischen Maßnahmen beurteilen und aufeinander abstimmen zu können, wurden von der Firma Transsolar computerunterstützte, dynamische Gebäudelastsimulationen durchgeführt. Entgegen dem Berechnungsverfahren der Wärmeschutzverordnung, welches von statischen Randbedingungen ausgeht, wird bei diesem Berechnungsverfahren der Temperaturgang eines ganzen Jahres berücksichtigt. Der zeitliche Verlauf aller internen Wärmequellen kann dabei ebenso berücksichtigt werden, wie die zeitliche Änderung der Solargewinne. Bei der WSchVO ist dagegen die Benutzung als Wohngebäude vorgegeben, einschließlich längerer Heizzeiten. Der tatsächliche Heizwärmebedarf eines andersartig genutzten Gebäudes kann deshalb nur schwer durch sie erfasst werden. Zunächst wurde ein Einzelbüro im Südbereich mit unterschiedlichen Konfigurationen durchgerechnet: 1. Referenzmodell in Standardbauweise nach noch gültiger Wärmeschutz-Verordnung 1982: Standard-Isolierverglasung (k=3,0 W/m²k) Brüstungsdämmung (k=0,6 W/m²k) Innenausstattung: abgehängte Decke, Doppelboden 2. Isolierverglasung (k=1,8 W/m²k) Brüstungsdämmung (k=0,3 W/m²k) Innenausstattung: freigelegte Decke, Nadelfilzboden bzw. Kunststein auf Zementestrich verlegt 3. wie 2., jedoch verbesserte Wärmeschutzverglasung (k=1,1 W/m²k) 4. wie 3., jedoch zusätzlich Brüstungskollektor zur Frischluftvorerwärmung Als interne Wärmequellen wurden angenommen: - Beleuchtung: Montag bis Freitag zwischen 6 Uhr und 18 Uhr, wenn außen weniger als 15000 Lux zur Verfügung stehen - elektrische Geräte: Pro Arbeitsplatz 1 PC und 1 Drucker, Montag bis Freitag von 7 Uhr bis 18 Uhr - Personen: Pro Büroraum (9 m²) eine Person von 7 Uhr bis 18 Uhr - Heizung/Lüftung: auf 22 °C mit Nachtabsenkung auf 16 °C von 18 Uhr bis 6 Uhr, sowie Wochenendabsenkung - Lüftung: mind. 30 m³/h pro Person zu den Nutzungszeiten, ansonsten nachts bei geschlossenen Fenstern 0,2 l /h Für die Variante 4. wird im Winterbetrieb der Brüstungskollektor zur Vorerwärmung der Frischluft berücksichtigt, während in der Hitzeperiode ein nächtliches Auskühlen der Zwischendecken durch Zuluftelemente im Brüstungsbereich angenommen wird. - Verschattung: wird bei einer Raumtemperatur über 23 °C eingesetzt, zwischen Haupt- und Oberfenster ist ein 60 cm breites Lichtbrett angebracht. Die Simulation ergab für die Variante 4. eine Reduktion des Heizwärmeverbrauchs um 50 % gegenüber dem Referenzmodell. Dieses wies aufgrund der fehlenden Speichermassen auch noch zusätzliche Probleme durch Überhitzung auf, was in der Regel dann eben zu dem Einbau einer Klimaanlage führen würde. Demgegenüber wurde deutlich, dass die Niedrigenergiebauweise den völligen Verzicht auf eine mechanische Kühlung gestattet. Dazu tragen die großen Speichermassen bei, die in Verbindung mit dem nächtlichen Spülen der Zwischendecken und einem wirkungsvollen Sonnenschutz in den meisten Gebäudebereichen Maximaltemperaturen von unter 28°C in Hitzeperioden erwarten lassen. Um das Gebäude in seiner Gesamtheit beurteilen zu können, wurde das Gebäude stockwerksweise in seine Einzelbereiche aufgeteilt. Die bei der ersten Simulationsstufe berücksichtigten Randbedingungen wurden dabei beibehalten. Dabei führt die kompakte Baukörperform sogar bei der Standardausführung zu relativ niedrigen Werten. Für die Niedrigenergieausführung ergab das Rechenmodell für das gesamte Gebäude einen Heizölverbrauch von weniger als 9000 Liter pro Jahr. Die jährlichen Heizkosten liegen bei dieser Ausführung bei DM 2,50 pro Quadratmeter Bürofläche (beim angesetzten Ölpreis von 50 Pf pro Liter). Weiterhin wurde das große Energiesparpotential bei der Beleuchtung aufgezeigt. Durch eine konsequente Abschaltung bei ausreichendem Tageslichtangebot lassen sich bis zu 20.000 kWh Strom jährlich einsparen.
Raumtemperatur-Entwicklung
Für die Berechnung des jährlichen Temperaturverlaufs innerhalb des
Gebäudes wurden die Daten des Testreferenzjahres von Freiburg
herangezogen. Die Computersimulation erlaubte damit quantitative
Aussagen über die Temperaturverläufe der einzelnen Bereiche des
Gebäudes zu treffen.
Neben der dabei erreichten maximalen Temperatur wurden auch
die Zeiträume von Überhitzungen getrennt festgehalten. Die Simulation
ergab für das Gebäude in den östlichen Büroräumen eine
Maximaltemperatur von 28,4 °C, gegenüber dem Referenzmodell, welches 35
°C erreichte. Der Spitzenwert unter 29 °C erscheint zumutbar, wenn man
berücksichtigt, dass die Temperaturdifferenz zwischen Innen- und
Außentemperatur immer noch ca. 3 °C beträgt. Das Gebäude wird also als
kühler empfunden. Überdies werden die Spitzenwerte nur an wenigen
Stunden im Hochsommer erreicht.
Die Temperaturgrafik zeigt deutlich die Abhängigkeit der
tagsüber erreichten Innentemperaturen von den tiefsten
Nachttemperaturen im Außenbereich. Kann nachts weniger Kälte
"eingespeichert" werden, können die Tagestemperaturen entsprechend
weniger "abgefangen" werden. In dem dargestellten Beispiel ist die
Außentemperatur am 30. Juli am höchsten. Die Innentemperaturen des
Gebäudes erreichen jedoch erst am folgenden Tag den Spitzenwert, da die
warme Nachtluft des 30. Juli nur eine eingeschränkte Kühlung der
Speichermassen ermöglicht. Die große thermische Trägheit des Gebäudes
kann nur dann optimal genutzt werden, wenn im Hochsommer tagsüber die
Fenster im Südbereich geschlossen bleiben. Dadurch wird der
unmittelbare Eintrag der in der Außenluft enthaltenen Wärmeenergie in
die Büroräume verhindert.
Lichtkonzept
Gerade in einem Bürogebäude kommt dem Tageslicht, und damit den
Fensteröffnungen eine besondere Bedeutung zu. Energetisch betrachtet
besitzen Fenster zwar einen schlechten k-Wert, sie ermöglichen jedoch
auch solare Gewinne, durch die der Energieaufwand für Heizung und
Kunstlicht deutlich gesenkt werden kann. Andererseits kann ein zu
großes Angebot an solarer Einstrahlung zu Blendung und Überhitzung
führen. Tiefe Bürogrundrisse erschweren dabei eine gleichmäßige,
ausreichende Belichtung. Die Computersimulation sollte deshalb auch
hier detaillierte Aussagen über die sich durch den Entwurf und die Wahl
der verwendeteten Baumaterialien ergebende Tageslicht- und Raumqualität
ermöglichen.
Maßgebend für die Beurteilung der Qualität der
Belichtungsverhältnisse war dabei der Tageslichtquotient Dmin und
dessen Gleichmäßigkeit g2, für welche die DIN 5034 Mindestwerte
verlangt, die nicht unterschritten werden dürfen. Um ausreichende
Belichtungsverhältnisse auch in großen Raumtiefen herzustellen, wurden
um bis zu 45° klappbare Lightshelves auf der Innenseite der Fenster
angebracht.
Diese reflektieren das auf sie treffende Licht und leiten es in die
tiefen Raumzonen. Dadurch tragen sie zur Verbesserung des
Tageslichtquotienten und einer Vergleichmäßigung der
Belichtungssituation bei. Bei extremen Belichtungsverhältnissen werden
sie auch als Verschattungselemente eingesetzt, und über einen Seilzug
hochgeklappt.
An der Außenseite der Fenster wurden Lightshelves angebracht,
die als feststehender Sonnenschutz wirken. Die Computersimulation
führte zu Aussagen über die Oberflächen der Shelves und der Decken und
Wände. Außerdem konnten Empfehlungen für die Menge der zusätzlich
notwendigen Beleuchtungskörper gegeben werden. Die so optimierten Räume
benötigen einen geringeren Einsatz von Kunstlicht und ermöglichen damit
eine Verringerung des Energiebedarfs und des Wärmeeintrags. Das
Kunstlicht wird bei ausreichender Belichtung automatisch ausgeschaltet.
Dabei überprüfen lichtempfindliche Sensoren auf dem Dach die
einfallende mittlere Lichtmenge. Sind mehrere Lampengruppen in einem
Raum, so wird die dem Fenster am nächsten liegende zuerst abgeschaltet.
Bei verbessertem Belichtungsangebot werden dann schrittweise die in den
tieferen Raumzonen gelegenen Lampen abgestellt. Wird die Beleuchtung
dennoch vom Nutzer eingeschaltet, hat dieser Wunsch Vorrang. Zu
festgelegten Zeiten (9.30 Uhr, 11.30, usw...) erfolgt eine automatische
Abschaltung dieser zusätzlichen Beleuchtung. Die Bedienung der
Jalousien und der Bürobeleuchtung erfolgt über eine
Infrarot-Fernsteuerung, die jeder Nutzer nach persönlicher Vorliebe in
seiner Bürozelle platzieren kann. Das Bürotrennwandsystem ist dadurch
von Installationen befreit und kann so relativ einfach verändert
werden.
Wasser
Das extensiv begrünte Flachdach trägt zur verzögerten Abführung des Regenwassers bei, und verhindert damit ein Überlaufen der örtlichen Kläranlagen bei extremen Niederschlägen. Zur Reduzierung des Trinkwasserbedarfs werden die WC´s mit Regenwasser versorgt, das in einer Regenwasserzisterne gesammelt wird. Das Überschusswasser aus der Zisterne fließt in ein im Eingangsbereich gelegenes Regenrückhaltebecken, welches über ein Wasserspiel ständig umgewälzt wird. Als wichtiges Gestaltungselement des Eingangs verbessert es dort das Mikroklima und dient gleichzeitig als staubfreie Ansaugzone der Lüftung.
- Teil 1 - Entwurfskonzept
- Teil 2 - Computersimulation
- Teil 3 - Erste Beobachtungen
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Jährlicher Heizwärmebedarf | Simulation
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Temperaturverlauf | Hitzeperiode
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